Projekte:Hausbesetzung:Temporäre Freiräume
Temporäre Freiräume als Werkzeuge im Spannungsverhältnis zwischen Utopie und Realität.
Hier ein Beitrag aus Dresden zum Thema "Temporäre Freiräume":
Als Utopist_innen bewegen wir uns Tag für Tag in einem Spannungsverhältnis zu unserer Umwelt, da wir unsere Ideen einer anderen Gesellschaft zwar teilweise leben, uns jedoch nie völlig von den verhassten Strukturen und Mechanismen lösen können. Auch in Bezug auf Freiräume wird uns dieser Zwiespalt sehr deutlich, nehmen wir uns Freiräume illegal sind wir zwar relativ unabhängig, müssen aber mit einer baldigen Vertreibung rechnen. Finden wir Wege unsere Plätze und Projekte zu legalisieren, so haben wir wieder einmal Sicherheit auf Kosten unserer Freiheit gewonnen und bewegen uns in neuen Abhängigkeitsverhältnissen, stützen zu dem die Maschinerie die wir bekämpfen. Eine gute alternative aus diesem Dilemma können temporäre Freiräume bilden. Drei Beispiele dafür wären das „Stille Besetzen“ von Häusern, „Flächenbesetzungen“ und „Happenings“, die ich hier kurz beleuchten will.
Stille Besetzungen
Die „stille Besetzung“ ist eine Variante der Hausbesetzung. Im Gegensatz zu den meisten Hausbesetzungen von denen mensch so hört, wird dabei allerdings keine Öffentlichkeitsarbeit betrieben, keine Transparente aus den Fenstern gehangen etc.. Im Gegenteil: Es wird versucht ein leerstehendes Haus möglichst unauffällig zu nutzen. Um nicht aufzufallen gibt es verschiedene Tricks und Kniffe auf die ganz gut unter "Arten der Hausbesetzung" und "Zugänge" eingegangen wird. Viele Menschen nutzen heimlich leerstehende Häuser, ganz ohne politischen Hintergrund, z.B. Leute die sonst auf der Straße leben würden oder Jugendliche, denen es an unkommerziellen Treffpunkten und Orten zur Selbstverwirklichung fehlt.
Hier mal die Argumente, welche die illegale, unauffällige Nutzung von Leerstand politisch attraktiv machen:
1. In ein leerstehendes Haus einzuziehen bedeutet einen Freiraum. Sofort und ohne Kosten. Ohne größeren Aufwand kann ein Haus in der Regel sofort für Plena, als Treffpunkt, zum Transparente malen usw. genutzt werden. So wird unkompliziert Infrastruktur geschaffen.
2. Da an das genutzte Gebäude keinerlei finanzielle Verpflichtungen wie Steuern, Miete usw. geknüpft sind und Geld höchstens für Material ausgegeben werden muss, ist die Gemeinschaft relativ unbelastet vom äußeren System und hintergeht selbiges aktiv.
3. Im Haus können aktiv alternative Formen des Zusammenlebens ausprobiert und weiterentwickelt werden.
4. In der Zeit des Besetzung befinden sich die Beteiligten in einem fortwährenden Lernprozess. Sie bekommen klarere Vorstellungen von ihren Utopien, erweitern ihr Wissen (auch in handwerklichen Bereichen) und können so in späteren Projekten mehr einbringen.
5. Rechtlich gesehen handelt es sich dabei um einen Hausfriedensbruch, wobei gerade bei stiller Nutzung in der Regel von einer Strafverfolgung abgesehen wird. Dadurch ist die Hemmschwelle für Menschen, die neu im politischen Umfeld sind, wesentlich niedriger. Da ein Großteil einer solchen Besetzung aus praktischen Aspekten wie Reparaturen, Bauarbeiten usw. besteht, ist sie für Neulinge besser zugänglich als Theorie-Gruppen. Außerdem können sie in einem lebendigen Projekt schneller Geschmack an einer emanzipatorischen Utopie finden, als das vermutlich bei einem dicken Pamphlet der Fall wäre.
6. Wenn eine SB entdeckt wird, so bleibt in der Regel genug Zeit Sachen, Möbel usw. in Sicherheit zu bringen. Sicher geht immer Arbeit und Zeit dabei verloren aber mensch gewinnt ebenso dabei. Außerdem mangelt es gerade im Gebiet der ehemaligen DDR in wenigen Städten an nutzbarem Leerstand, also kann sofort weiterbesetzt werden.
Flächenbesetzungen
Flächenbesetzungen haben ja eine lange Tradition und sind auch in Dresden nicht ganz unbekannt. So wurde z.B. vorletztes Jahr die Brache auf der Kamenzer Straße besetzt. Wer sich jemals an solch einer längeren Aktion beteiligt hat, wird wissen, wie dort verschiedenste Menschen aufeinander treffen. Flächenbesetzungen haben meist einen offenen Charakter, so dass unterschiedlichste Leute mal vorbei schauen und sich schneller ein Dialog entwickelt, als dies bei anderen Aktionsformen der Fall ist. So beteiligen sich irgendwann vom obdachlosen Alkoholiker, über die Nachbarsfamilie bis hin zur autonomen Antifaschistin Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen und lernen voneinander und vorallem miteinander. Dabei hat sich auch bei der Dresdner Brache gezeigt, wie nicht nur gegenseitiges Verständnis sondern auch das politische Potential einer Anwohner_innenschaft im Nachhinein an solchen Projekten wachsen kann.
Leider wird hier, wie oft auch bei Hausbesetzungen zu konfliktbezogen gedacht. Besetzt wird meist erst, wenn das Kind eigentlich schon in den Brunnen gefallen ist (so auch bei der diesjährigen Elbwiesenbesetzung) und eben auch nur dann. Dies spiegelt die allgemeine Defensivhaltung des linksradikalen Lagers und die Berührungsangst der Bevölkerung in Bezug auf direkte Aktion wieder. Dabei könnte ein offensiver Umgang mit der Flächenbesetzung als politisches Mittel zu einer alternativen Stadtteilgestaltung sogar Früchte tragen, argumentieren Politiker_innen doch oft genug damit, dass eine alternative Nutzung von städtischen Flächen aufgrund bereits abgeschlossener Verkaufsverhandlung nicht mehr möglich sei. Mit einer Flächenbesetzung zum Selbstzweck können also nicht nur temporär selbstbestimmte Begegnungsstätten geschaffen werden, vielmehr könnte mensch auch Politiker_innen zwingen, ihre wahren, kapitalistischen Interessen offen zu legen.
Happenings
Die kurzfristigste, der hier vorgestellten, Aktionsformen ist das Happening. Im politischen Kontext ist ein Happening ein Treffen bei dem ein gewisser Rahmen geschaffen und alles andere in der Regel der Improvisation der Beteiligten überlassen wird. Auch eine solche Aktion fand letztes Jahr schon einmal auf dem Albertplatz in Dresden statt.
Hier wird weniger eine Utopie gelebt, sondern sich viel mehr öffentlichkeitswirksam Raum für Kreativität genommen. Die Aktion bleibt unkommerziell, in der Regel kostengünstig und von den Teilnehmer_innen selbstbestimmt. Obwohl Happenings öffentlich und vom Staat nicht kontrollierbar sind, können seine Organe sie schwer angreifen, da dafür meist nur eine geringe rechtliche Grundlage besteht und die Sympathien der Bevölkerung schnell auf Seiten der Teilnehmer_innen sind.
Das H. stellt dabei nicht nur einen reales Gegenbild zu den randalierenden, gewaltgeilen Chaoten in den Medien her, es bietet auch Möglichkeiten zum Transport politischer Anliegen und gibt bis dahin Außenstehenden die Möglichkeit aus dem eigenen Alltagstrott auszubrechen. Dabei ist es wie die anderen beiden Aktionsformen ohne riesen Aufwand zu realisieren.
Fazit
Aus dem uns umgebenden System werden wir so schnell nicht völlig ausbrechen können, doch gibt es auch nach der großen Hausbesetzungszeit immernoch Möglichkeiten weitgehend widerspruchsfrei Freiräume zu erkämpfen und gleichzeitig etwas gegen die Einnischung in den eigenen Szenesumpf und die Vorurteile der „Normalbevölkerung“ gegen alternative Strömungen zu unternehmen.
Statt immer nur von Freiräumen zu träumen können wir sie uns einfach nehmen, im Hier und Jetzt.
direct action get satisfaction !
Quelle: anarchia dresden